
Was uns zu Anfang wie ein Band vor Augen stand – mal mäandrierend, mal wie mit dem Lineal gezogen – ist in Wirklichkeit eine Weite aus Wasserläufen. Die Oder atmet links und rechts dieses von Menschen vor allem im 18. Jahrhundert begradigten Transportweges “Oder” mit wilden Armen Wasser. Zwei Mal im Jahr werden die Polder – das Gebiet zwischen den Deichen – geflutet, wird aus grünen Auen blau-braune Fläche. Die Tiere und die Pflanzen haben sich daran gewöhnt. Sie gibt es nur hier. Und auch eine Auenlandschaft wie diese, gibt es nur hier. Im Unteren Odertal. Sie ist nicht frei von menschlichem Einfluss, aber mit sehr viel Raum dafür, die Natur sein zu lassen. Natur entscheidet.
Dazu sprechen wir im Detail in unserer Podcast-Folge “Weite / daleko”. Wir berichten von den Kolonisten den 18. Jahrhunderts und wie den Auen Boden für Siedlungen abgetrotzt wurde, aber auch, was eigentlich eine Aue ausmacht.
Auf den Visualisierungen, die der Landschaftsplaner und Geodatenfachmann Philipp Blanke zusammen mit dem Infografiker Andreas König für uns gemacht hat, sehen wir das gerade helle Band des Deiches – was hell ist, ist hier hoch – und unten links, angschnitten, das, was die meisten Menschen allein für die Oder halten: Den begradigten Schifffahrtsweg. Dazwischen ist in diesem flachen Bereich des Oderlaufes, nicht weit von der Mündung in die Ostsee bei Stettin entfernt, das Schlängeln eines Gewässers mit eigenen Regeln zu sehen. Boden erodiert und Boden setzt sich aus neu “mitgebrachten” Sedimenten. Es entstehen Höhen und Tiefen im kleinen Bereich. Immer aber organisch geformt.
Möglich sind diese Sichtweisen auf Gewässer durch die Laserscan-Technologie auch LiDAR (Light Detection And Ranging) genannt. Nach dem Abtasten der Oberfläche werden Vegetation und Gebäude herausgerechnet. Übrig bleiben die Höhen und Tiefen, auch in kleinster Veränderung, der Oberfläche.

Daher ist die Technologie auch zentral für archäologische Untersuchungen. So konnte ein Römerlager, hier am hochgelegenen Wall erkennbar, bei Heiderhof erst identifiziert werden. In der Umsetzung der Daten können die Datenexperten verschiedenen Höhen Farben zuweisen und sie so gut erfassbar machen.


Doch hier geht es gerade um das, was aus der Natur entstanden ist. Die Wasserläufe der Oder, mal schmal, mal breit, mal mit seehafter Verdickung, mal versickernd, tragen eigentümliche Namen: Sprottgraben, Krienke, Meglitze, Bröke, Wupla, Wels, Täge, Tellin, Lüttker Wrech, Schwarze Lanke, Faule Pleetzig. Hier haben Menschen etwas benannt, seine Eigenschaften beschrieben, mit dem sie jahrhundertelang gelebt haben. An einer Stelle im Unteren Odertal – das oberste Bild lässt es erkennen – ergibt sich mit der Visualisierung von Brandenburger Lidar-Dateien ein Mensch im Profil. Die Nase scharf geschnitten. In Polen gibt es längst Initiativen, die daran arabeiten, dass die Oder Personenrechte erhält. Die Oder soll eine juristische Person werden. Was lange dort vorangetrieben worden ist, wo indigene Bevölkerungsgruppen Natur ihres Kosmos schützen wollten, ist als Bewegung an die Oder gelangt. “Osoba Odra” (Person Oder) sammelt aktuell Unterschriften.