Curare, Kurieren, Kuratieren

TraumaTische GegenWarten ist ein neues Format, das deutsch-polnische Kurator:innen, Wissenschaftler:innen, Kunst- und Kulturschaffende zu internationalem Co-Working zusammenbringt. Hier bearbeiten wir mit unserer Expertise ein Themenfeld, das das deutsch-polnische Verhältnis historisch wie auch höchst aktuell prägt:

Traumatische Erfahrungen und eine lange und gleichzeitig fragile Beziehung. Wir sehen in unserem Alltag, dass alte und neue Erfahrungen zusammen- und auf uns zurückfallen. Traumata und fragile Beziehungen müssen pfleglich behandelt und umsorgt werden: to be handled with care.

Für zurückliegende und neue Traumata muss in der Gegenwart Sorge getragen werden, damit sie nicht in künftigen Generationen Leid schaffen und Beziehungen gefährden. Wir wollen nicht warten: GegenWarten. Wir „kurieren“ aber nicht mit den Mitteln der Medizin. Wir kurieren mit Kunst. „Care“ wie „Kuratieren“ geht auf lat. curare zurück: Sorge tragen, pflegen, heilen.

An einem Tisch in der Oder-Region haben wir begonnen, Inhalte und kuratorische Konzepte zu entwickeln, die sich dem komplexen Phänomen widmen. Es geht uns darum, weiter unsere Anliegen auf den Tisch zu legen. Weitere Tische zu decken. Gemeinsam Platz zu nehmen. Gemeinsam aufzubrechen. TraumaTische gegen Warten.

Towards Careful Activism

Die Traumata, die dem deutschen Angriff gegen Polen 1939 folgten, sind alt, aber sie wirken in den Kindeskindern fort. Durch gegenwärtigen Krieg, Flucht und die Folgen der Pandemie kommen verstärkt neue hinzu. Wir nehmen wahr, wie sie sich sich an der deutsch-polnischen Grenze verdichten.

Als „Co-Worker:innen“ sind wir auf Routen unterwegs, die gegenwärtig als Fluchtrouten Frauen und Kindern aus der Ukraine Sicherheit versprechen. Es sind zudem dieselben Routen, die seit vielen Jahren „Care-Worker:innen“ frequentieren. Sie lassen häufig ihre Familie ohne die notwenige Zuwendung zurück, um in der Pflege für andere Menschen zu arbeiten. Ähnlich wie sie beobachten wir Alltagssituationen und reflektieren, wie die Ökonomien, die wir mittragen, einerseits prosperieren, und andererseits prekäre Lebensverhältnisse schaffen. Nicht nur für Menschen. Die Habitate von Tieren, Pilzen und Pflanzen sind akut gefährdet. Über die Grenze[n] hinweg. Das Wissen und die Energie, die aus unseren Bewegungen und Berührungen resultieren, müssen wir nicht nur zur Sprache, sondern kurierend zur Anwendung bringen.

Austauschprogramme und deutsch-polnische Dialoge bemühen sich um die Annäherung und Versöhnung beider Länder. Sie haben viel geleistet. Transnationale Perspektiven und vor allem die Perspektiven der Einzelnen standen bislang nicht im Vordergrund. Es fehlt der sorgsame Umgang mit biografischen Brüchen und Bürden, die Pflege tiefer Wunden und der Blick auf das, was heute bewegt.

Wir brauchen dringend ein neues Verständnis von care und careful relations, um unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen schützen und erhalten zu können. Wir brauchen relations full of care. Wir brauchen einen careful activism und zwar…

participants of the workshop in Neudorf oct. 7-9, 2022

Here and Now –
Call for Co-Workers

Schmerzen und Verletzungen sind nicht leicht zu heilen. Gerade wenn sie über Generationen präsent sind. Wir machen die Erfahrung, dass sie uns nicht voneinander trennen, sondern verbinden. In unseren Schmerzen sind wir einander ähnlich und aufeinander angewiesen.

Wir wollen uns nicht in bi-nationale Formate zwängen. Wir stehen uns nicht als Vertreter:innen zweier Länder gegenüber, sondern wissen um unsere miteinander verwobenen und die Oder überspannenden Geschichten. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf das, was uns unmittelbar berührt, wo wir uns berühren. Wir adressieren, was wir als akut und bedroht erkennen. Und wir teilen und weiten unsere Expertisen untereinander.

In unserem Blog sammeln wir, was uns und das Themenfeld verbindet und erweitert. Es ist unser gemeinsamer Tisch – TraumaTisch – schaut hinein und schickt uns eure Hinweise, Ideen, Projektskizzen, Veranstaltungsinfos. Hier und jetzt – GegenWarten.

We thank the Berlin Senate Department for Culture and Europe for its financial support

The Oder Partnership – A joint initiative of German and Polish regions

partner
d-pl Museumsdialog/careful relations
Oder-Partnerschaft
Perspektywa
REMS
Zwischen den Polen

contact
mail@traumatischegegenwarten.com