Ich trage ein Kind in mir. Es wächst. Und es übt. Für das Leben außerhalb meines Körpers. Ich spüre seine Bewegungen und sein Gewicht. Ich atme schwer. Manchmal auch aus Sorge. Was auf mich wartet, ist mir unbekannt, obschon es nicht mein erstes Kind ist.
Denn was ich trage, ist auch die Verantwortung. Es ist meine Aufgabe, für gute Nahrung, für Wärme, Liebe, Sicherheit, Vertrauen und Bildung zu sorgen. Und nicht zuletzt auch für Unbeschwertheit und Freude. Das alles und mehr ist Bedingung, damit dieses Kind ein Leben führen kann, in dem es Herausforderungen mit (Widerstands)kraft begegnen kann. Damit es autonom ist und zugleich der Bindung an die Welt fähig mit ihren Menschen, Tieren, Pflanzen, Pilzen, Wasser, Luft und Erde. Meine Aufgabe, meinem Kind dies zu ermöglichen, realisiert sich im Jetzt. Kinder brauchen Präsenz. Aber das Jetzt genügt nicht. Es ist auch – und ich vermute zunehmend – meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Bedingungen für gute Nahrung, Wärme, Liebe, Sicherheit, etc. dauerhaft vorhanden sind. Dass sie Bestand haben oder zumindest nicht weiter bedroht werden.
Vieles davon kann ich gewährleisten, wenn ich mir Zeit nehme, mir Gedanken mache, Mühen und Aufwand nicht scheue, vor allem nicht die Begegnung mit meinem Kind, mit mir selbst und mit den Menschen, die Familie sein können. Dies sind einige der Dinge, die ich tun kann. Dinge, die in meiner Macht stehen. Sie alle können mehr oder minder im Rahmen meiner vier Wände stattfinden. So erscheint das, was da ist an Sorge und Fürsorge schnell als alleinig privat.
Längst ist die Debatte um Care-Arbeit – Arbeit die das Ver- und Umsorgen betrifft – in all seinen politischen Dimensionen und systemimmanenten Bedingtheiten in der breiteren gesellschaftlichen Debatte angekommen. Dennoch ist das wenigste geklärt oder auch nur auf dem Weg dahin. Vor allem nicht, was es für einen Menschen bedeutet, nicht nur Verantwortung für ein Leben neben dem ihren zu tragen, sondern gewissermaßen auch Verantwortung für das, was an Welt um dieses neue Leben ist, sein wird und sein muss. Damit Leben lebenswert gelingt.
Was mich hier interessiert, sind die traumatischen Gegenwarten und das, was sie an Wunden und Beeinträchtigungen in der Zukunft generieren. Was erbt mein Kind von mir, das sich notariell beglaubigten Papieren, das sich überhaupt Worten entzieht? Was erlebt es, wenn die Sicherheit der Existenz des scheinbar Ewigen – Natur, Jahreszeiten, Wasser und Nahrung – nicht mehr sicher ist?
Über traumatische Gegenwarten zu sprechen, bedeutet, über die Zukunft zu sprechen und zwar die künftiger Generationen. Das was heute an Beängstigendem geschieht, was Sicherheiten infrage stellt und Planbarkeit, zeigt seine Effekte in einer Zeit, in der unsere Kinder ihr Leben selbst gestalten wollen werden. Als Sorgen, als Einfluss auf mein Wohlbefinden und meine Unbeschwertheit, wirkt es sich aber auch jetzt schon auf das Kind aus, das ich in mir trage.
Mir ist das manchmal zu viel. Ich komme nicht zur Ruhe in dieser Schwangerschaft, weil ich unter der Last der Verantwortung und des wachsenden Organismus müde zu werden drohe. Und das noch bevor ich stille, am Bett wache, mir tagsüber die Augen zufallen, wenn die Zähne kommen. Wenn wir von „Careful Activism“ sprechen, dann muss damit auch gemeint sein, sorgsam sich selbst gegenüber zu bleiben. Leider bedeutet das für agierende, aktive, aktivistische Eltern auch, einen Weg zu finden, das Glück im Kleinen zu vereinen mit dem inneren Antrieb, am Großen zu arbeiten. Wie das gelingt? Ich hoffe: in der Gemeinschaft, im Sein mit vielen, im Austausch. Und zwar über die Generationen hinweg.